Köln 06.–09.11.2025 #artcologne2025

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Alles ist im Fluss

Wenn der Bayrische Wald mit Paris kooperiert: Ein gemeinsames Projekt der Galerien Zink und Bao im Sektor COLLABORATIONS.

Ein Videostill aus der Arbeit „A Humble Cottage“ von Thao Nguyen Phan

Ein Videostill aus der Arbeit „A Humble Cottage“ der vietnamesischen Künstlerin Thao Nguyen Phan. Foto: Galerie Zink

Die Kunst von Stefan Strumbel hat sich auffällig gewandelt. Erste Bekanntheit erlangte der heute 46-Jährige, aus Offenburg stammende Künstler mit seinen verfremdeten Kuckucksuhren. Die anfangs schrill inszenierten Schwarzwald-Ikonen trafen während der rasanten Globalisierung den Nerv der Zeit – als ironische Symbole für Heimat, die zugleich Zugehörigkeit wie auch Ausgrenzung markieren konnten.

Dazu gesellten sich Werke wie in Luftpolsterfolie verpackte Skulpturen oder in Aluminium gegossene Leinwände. Die mediale Aufmerksamkeit wuchs, 2010 berichtete die New York Times über ihn. Bald zählten Persönlichkeiten wie Karl Lagerfeld und Hubert Burda zu seinen Käufern. Öffentliche Aufträge folgten – etwa für die Oper Stuttgart oder das 300-jährige Stadtjubiläum von Karlsruhe, für das er eine Bronzeplastik in Form eines Stuhls schuf, der auf einem Baumstumpf ruht.

Die Arbeit „Roraima Ro Ro“ der Künstlerin Rosilene Luduvico

„Roraima Ro Ro“ heißt die Arbeit der brasilianischen Künstlerin Rosilene Luduvico aus dem Jahr 2011, die von der Galerie Zink vertreten werden. Foto: Galerie Zink

Eintauchen in einen fremden Kosmos

Diese Neugier ist Zink geblieben. Denn selbst wenn ihm etwas spontan gefiel, wollte er es erst begreifen, ein Gefühl für die Umstände der Entstehung entwickeln. Gerade bei Kunst aus anderen Kulturkreisen und hier vor allem aus dem asiatischen Raum, wo es eine intensive Zusammenarbeit mit Kollegen in Korea oder eben Vietnam gibt. Dass Zink bereits in den 1990er-Jahren Yoshitomo Nara vertreten hat, zeugt von seinem Gespür. Der für seine wütenden Manga-Girls bekannte Künstler hätte Zink allerdings auch dazu gebracht, mit ihm nach Japan zu reisen.

Dieses Eintauchen in einen fremden Kosmos, die intensive Beschäftigung mit der Literatur oder den Bräuchen ist für Michael Zink ein Schlüssel. Das schätzt natürlich auch Thao Nguyen Phan, die sich auf sehr poetische Weise mit der vergessenen Geschichte ihrer Heimat beschäftigt – durch Gemälde, Skulpturen, Videos. In Köln ist von ihr ein eindringliches Triptychon zu sehen, dessen Titel „Die Flut“, „Der Deich“ und „Brennende Reisfelder“ schon auf die Umweltmisere verweisen, die aus einem absurden und zugleich verständlichen Fortschrittsglauben einer gebeutelten Nation resultiert. Und doch kann man sich nicht sicher sein. Die Verletzlichkeit einer Landschaft wird auf Thaos Seidenbildern auch zu einer Liebeserklärung. Freilich aus Wasserfarben, was sonst?

Alles ist im Fluss, in der „Bay of Poetry“ schaukeln Bücher gerade noch auf dem Schilf, und alles ist miteinander verbunden, so wie die „7 Intellectuals“ durch ein Band der Sympathie. Was auseinanderdriftet, bewegt sich wieder aufeinander zu. In den aquarellhaften Öl- und Kreidegemälden von Rosilene Luduvico sind es die Bäume und schließlich auch die Menschen. Still und voll melancholischer Sehnsucht.

Der Sitz der Galerie Zink in Waldkirchen

International in der Provinz: Der Sitz der Galerie Zink in Waldkirchen. Foto: Erich Spahn

Intuitives Weiterspinnen

Die Brasilianerin, die halbe Ewigkeiten schon in Düsseldorf lebt, scheint den Faden Thaos ganz intuitiv aufzunehmen. Oder es ist umgekehrt, doch egal, dieses Zusammenspiel berührt und betrifft selbst den zarten Farbauftrag. So wirken Erinnerungen, die immer weiter ins Unbewusste gleiten und von Zeit zu Zeit zurückkehren. Das ist kein „River of no Return“, auch in Trương Công Tùngs Videoarbeit „Journey of a piece of soil” überlagern sich von Kühen bis zu Motorrädern und verzerrten Stimmen die unterschiedlichsten Realitäten, um an Ende von dem zu erzählen, was tief in der Erde Vietnams gespeichert ist.

Schicht für Schicht hat diese Erde alles gesehen und erduldet, die Kolonialisierung und die Befreiung, die ja doch keine war, den Krieg und einen Frieden, der den Menschen mit neuen Repressalien zusetzt. Alles kommt irgendwann wieder an die Oberfläche, man muss nur lange genug warten. Und manchmal genügt es, die alten Bücher sprechen zu lassen. Über die Eroberung Amerikas zum Beispiel, die die Kolumbianerin Camila Rodríguez Triana – seitenweise eingerollt – in ihre gestickten Bilder integriert. Auch hier könnte man die Fäden aufnehmen und weiterspinnen.

Dieses „Storytelling“ verbindet alle vier und genauso Lê Thiên Bảo und Michael Zink. Man muss nicht lange verhandeln, versteht sich auch über weite Distanzen. Für Zink sind diese imaginären Fäden ganz entscheidend. Nach Stationen in München und Berlin ist er vor zehn Jahren mit seiner Galerie ins 32-Seelen-Nest Seubersdorf in der Oberpfalz gezogen. Da läuft man sich nicht einfach über den Weg, aber es funktioniert. Man könnte auch sagen, es fließt.

Autorin: Christa Sigg