Alles ist im Fluss
Vielleicht ist es ja das „Miteinander“, das ihn so erfolgreich macht. Wenn Michael Zink von seinen Künstlerinnen und Künstlern spricht, dann gewinnt man den Eindruck, es seien Familienmitglieder oder nahe Freunde, die bei ihm in Waldkirchen um die Ecke wohnen. Menschen, die man eben mal anruft, wenn es klemmt oder – viel schöner – wenn man zu viel gekocht hat, weil im Garten gerade alles gleichzeitig reif geworden ist, und der Wein ohnehin besser in der Runde schmeckt.
Das zieht weitere Kreise. Denn wenn der Galerist nun auf der ART COLOGNE im Sektor COLLABORATIONS mit der Galerie Bao aus Paris zusammenarbeitet und selbst Werke von Thao Nguyen Phan und Rosilene Luduvico mit dabei hat, dann ist auch diese Konstellation kein Zufall. Die vietnamesische Kuratorin Lê Thiên Bảo und Thao sind alte Freundinnen, sie kennen sich seit ihrer Zeit in Ho-Chi-Minh-City. Und Michael Zink war für Bảo eine Art Mentor, als sie sich mit ihrer Galerie selbstständig gemacht hat.
Der Mann aus dem Bayerischen Wald war selbst um jeden Rat dankbar, als er in Regensburger Studententagen angefangen hatte, die Arbeiten von vier Künstlerfreunden nicht nur auszustellen, sondern auch Sammlerkreise aufzutun. Ein Desaster sei das in den ersten Monaten gewesen, erzählt Zink. Aber dann hätte ihn der Ehrgeiz gepackt, das Ruder rumzureißen. Und womöglich war es nicht verkehrt, dass er aus einer ganz anderen Ecke kam, für Chemie und Biologie eingeschrieben war. Da geht es um Stoffe und deren Gesetzmäßigkeiten, um Strukturen und Funktionen – und man tut gut daran, die Zusammenhänge zu verstehen.
„Roraima Ro Ro“ heißt die Arbeit der brasilianischen Künstlerin Rosilene Luduvico aus dem Jahr 2011, die von der Galerie Zink vertreten werden. Foto: Galerie Zink
Eintauchen in einen fremden Kosmos
Diese Neugier ist Zink geblieben. Denn selbst wenn ihm etwas spontan gefiel, wollte er es erst begreifen, ein Gefühl für die Umstände der Entstehung entwickeln. Gerade bei Kunst aus anderen Kulturkreisen und hier vor allem aus dem asiatischen Raum, wo es eine intensive Zusammenarbeit mit Kollegen in Korea oder eben Vietnam gibt. Dass Zink bereits in den 1990er-Jahren Yoshitomo Nara vertreten hat, zeugt von seinem Gespür. Der für seine wütenden Manga-Girls bekannte Künstler hätte Zink allerdings auch dazu gebracht, mit ihm nach Japan zu reisen.
Dieses Eintauchen in einen fremden Kosmos, die intensive Beschäftigung mit der Literatur oder den Bräuchen ist für Michael Zink ein Schlüssel. Das schätzt natürlich auch Thao Nguyen Phan, die sich auf sehr poetische Weise mit der vergessenen Geschichte ihrer Heimat beschäftigt – durch Gemälde, Skulpturen, Videos. In Köln ist von ihr ein eindringliches Triptychon zu sehen, dessen Titel „Die Flut“, „Der Deich“ und „Brennende Reisfelder“ schon auf die Umweltmisere verweisen, die aus einem absurden und zugleich verständlichen Fortschrittsglauben einer gebeutelten Nation resultiert. Und doch kann man sich nicht sicher sein. Die Verletzlichkeit einer Landschaft wird auf Thaos Seidenbildern auch zu einer Liebeserklärung. Freilich aus Wasserfarben, was sonst?
Alles ist im Fluss, in der „Bay of Poetry“ schaukeln Bücher gerade noch auf dem Schilf, und alles ist miteinander verbunden, so wie die „7 Intellectuals“ durch ein Band der Sympathie. Was auseinanderdriftet, bewegt sich wieder aufeinander zu. In den aquarellhaften Öl- und Kreidegemälden von Rosilene Luduvico sind es die Bäume und schließlich auch die Menschen. Still und voll melancholischer Sehnsucht.
International in der Provinz: Der Sitz der Galerie Zink in Waldkirchen. Foto: Erich Spahn
Intuitives Weiterspinnen
Die Brasilianerin, die halbe Ewigkeiten schon in Düsseldorf lebt, scheint den Faden Thaos ganz intuitiv aufzunehmen. Oder es ist umgekehrt, doch egal, dieses Zusammenspiel berührt und betrifft selbst den zarten Farbauftrag. So wirken Erinnerungen, die immer weiter ins Unbewusste gleiten und von Zeit zu Zeit zurückkehren. Das ist kein „River of no Return“, auch in Trương Công Tùngs Videoarbeit „Journey of a piece of soil” überlagern sich von Kühen bis zu Motorrädern und verzerrten Stimmen die unterschiedlichsten Realitäten, um an Ende von dem zu erzählen, was tief in der Erde Vietnams gespeichert ist.
Schicht für Schicht hat diese Erde alles gesehen und erduldet, die Kolonialisierung und die Befreiung, die ja doch keine war, den Krieg und einen Frieden, der den Menschen mit neuen Repressalien zusetzt. Alles kommt irgendwann wieder an die Oberfläche, man muss nur lange genug warten. Und manchmal genügt es, die alten Bücher sprechen zu lassen. Über die Eroberung Amerikas zum Beispiel, die die Kolumbianerin Camila Rodríguez Triana – seitenweise eingerollt – in ihre gestickten Bilder integriert. Auch hier könnte man die Fäden aufnehmen und weiterspinnen.
Dieses „Storytelling“ verbindet alle vier und genauso Lê Thiên Bảo und Michael Zink. Man muss nicht lange verhandeln, versteht sich auch über weite Distanzen. Für Zink sind diese imaginären Fäden ganz entscheidend. Nach Stationen in München und Berlin ist er vor zehn Jahren mit seiner Galerie ins 32-Seelen-Nest Seubersdorf in der Oberpfalz gezogen. Da läuft man sich nicht einfach über den Weg, aber es funktioniert. Man könnte auch sagen, es fließt.
Autorin: Christa Sigg