Blick auf den Nachwuchs
Die Förderkojen auf der ART COLOGNE haben schon viele junge Karrieren beflügelt. Der Sektor NEW POSITIONS wird von der Messe und dem Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler seit 1980 realisiert. Seitdem konnten rund 1.000 junge Künstlerinnen und Künstler im Durchschnittsalter von 35 Jahren gefördert werden. Das Programm ist eine zentrale Säule der Messe. Es soll dem künstlerischen Nachwuchs den Einstieg in den Kunstmarkt erleichtern und das Interesse der Sammlerinnen und Sammler, Museen und Institutionen anziehen. Hier lässt sich betrachten, was die Talente umtreibt und mit welchen Mitteln sie agieren. Mehr als 80 % von ihnen arbeiten auch nach drei bis fünf Jahren noch mit „ihrer“ Galerie.
Namhafte Künstler und Künstlerinnen wie Rosemarie Trockel, Neo Rauch, Candida Höfer, Thomas Demand oder Olafur Eliasson hatten in diesem Rahmen bereits ihre ersten großen Messeauftritte. Diesmal sind 19 Newcomer dabei. Ihre Positionen sind in Förderkojen direkt am Stand des Ausstellers platziert. Jede auf zeitgenössische Positionen spezialisierte Galerie, die auf der ART COLOGNE ausstellt, kann sich für eine Förderkoje bewerben. Aus den Vorschlägen wählt eine Jury die überzeugendsten Künstlerinnen und Künstler aus. Zusammengesetzt ist sie dieses Jahr aus Maurin Dietrich (Direktorin des Münchner Kunstvereins), Maurice Funken (Direktor NAK – Neuer Aachener Kunstverein), Lisa Klosterkötter (Künstlerische Leitung der Temporary Gallery// Zentrum für zeitgenössische Kunst, Köln), Ursula Schöndeling (Erste Vorsitzende der ADKV, Berlin) und Dr. Marc Wellmann (Künstlerischer Leiter des Hauses am Lützowplatz – Förderkreis Kulturzentrum Berlin). Die NEW POSITIONS werden auf der vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) mit einem Projektzuschuss von 35.000 Euro gefördert.
Die Arbeiten von Anys Reimann bewegen sich zwischen Personifizierung und Auflösung, hier „Der Tod und das Mädchen II“ von 2025. Foto: VAN HORN Galerie
Malerei stark vertreten
Malerei ist die am stärksten vertretene Gattung, flankiert von raumbezogenen und interdisziplinären Arbeiten. Thematisch reichen sie von politischen Fragestellungen bis zu sozioökonomischen und technologischen Phänomenen. Zu den aktuellen Teilnehmern gehört etwa Arhun Aksakal bei EBENSPERGER, Berlin. Er wuchs zwischen Istanbul und Frankfurt auf und bewegt sich im Spannungsfeld von Orient und Okzident. Seine Großeltern kamen in den 1960er-Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland und erlebten den Wandel eines vom Krieg gezeichneten Landes hin zur Industrienation. Ihre Erzählungen prägten Aksakals Blick auf Übergänge und soziale Spannungen. Zwischen Hightech und Ruine bewegen sich seine Videos, Fotografien oder Performances an der Schnittstelle von urbaner Psychogeografie und kollektiver Erinnerung.
Die Produzentengalerie Hamburg hat Noémi Barbaglia im Gepäck. Sie setzt sich in ihren Skulpturen und Installationen mit den Grenzen zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren auseinander. Architektonische Elemente wie Fenster und Korridore werden dekonstruiert und neu zusammengesetzt, um die Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen zu hinterfragen. Ihre Werke erinnern daran, dass klare Grenzen oft Illusionen sind und Erkenntnis in der Auseinandersetzung mit dem Unbekannten entsteht.
Die Südkoreanerin Jeewi Lee ist eine multidisziplinäre Künstlerin, die sich in ortsspezifischen Installationen, Videos und Gemäldeserien mit Erinnerung, Zeit und Verfall auseinandersetzt, hier: „Fragment Proximity_Son Real 23_01“ von 2024“. Foto: Sexauer Galerie
Temporäre Kompositionen
KROBATH aus Wien setzt auf Melanie Ender. Sie arbeitet mit industriellen Materialien wie Rigipsplatten, Kupferrohren, Messingstangen oder Stahlblechen. Sie werden bearbeitet und zueinander in Bezug gesetzt. Die Künstlerin versteht ihre Arbeiten als temporäre Kompositionen, die sich in ihrer Anordnung und ihrem fragmentarischen Charakter eine große Offenheit bewahren. Sarah Friend bei der Galerie Nagel Draxler, Köln/ Berlin, ist durch innovative und kritische Stimmen im Bereich der neuen digitalen Kunst und ihrer Diskurse aufgefallen. Als Technologin und Softwareentwicklerin bewegt sie sich an den Schnittstellen von Kunst, Finanzwesen und Blockchain- Technologie.
Die Nachwuchspreisträgerin des Paula-Modersohn-Becker-Kunstpreises 2020, Cihan Cakmak, hat Fotografie in Dortmund, Lissabon, New York und Leipzig studiert. Sie wird im Rahmen der NEW POSITIONS von EIGEN+ART, Berlin/ Leipzig, vorgestellt. In ihren Arbeiten setzt sie sich mit Themen wie Unterdrückung und kollektive Erinnerung, Identität und Selbstermächtigung auseinander. Ihre Perspektive ist die einer in Deutschland geborenen Tochter kurdischer Einwanderer, deren kulturelles Erbe in ihre Fotografien einfließt. Cakmak hat zu verschiedenen Publikationen beigetragen, unter anderem im Zeit Magazin, Missy Magazin und Focus. Außerdem veröffentlichte sie ein Fotobuch bei SHIFT BOOKS. Ihre Werke wurden in zahlreichen Institutionen präsentiert, darunter in der Kunsthalle Erfurt, im Künstlerhaus Bethanien in Berlin und in der Bundeskunsthalle Bonn. Für 2026 plant das Museum Morsbroich in Leverkusen eine Einzelausstellung.
Autorin: Alexandra Wach