Köln 07.–10.11.2024 #artcologne2024

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Die Avantgarde im Blick

Einen Mix von klassisch-musealen Werken bis zu erstaunlichen Wiederentdeckungen präsentiert Thomas Derda auf der ART COLOGNE.

Die Assemblage „Bild mit schwarzem Keil“ von Carl Buchheister

Die Assemblage „Bild mit schwarzem Keil“ ist ein Schlüsselwerk von Carl Buchheister. Foto: ©Thomas Derda

Der Star am Stand des Berliner Kunsthändlers Thomas Derda auf der diesjährigen ART COLOGNE wird ein Reliefbild von Carl Buchheister sein. Es ist eine Assemblage aus dem Jahr 1931 – Öl und Holzkeil auf Holz –, die den Titel „Bild mit schwarzem Keil“ trägt. Für Derdas Verhältnisse, der sonst eher mit kleineren, delikaten Papierarbeiten handelt, ist es mit ca. 62 mal 75 cm relativ groß. Und große Stücke hält er auch auf das Bild: „Ich stamme ja aus Hannover und daher ist Buchheister neben Schlemmer mein Hausgott. Dieses Bild ist eine Art Prototyp seines Schaffens, der Ur-Buchheister sozusagen, von dem er dann bis kurz vor seinem Tod weitere Versionen anfertigte.“

Für alle, die nicht so im Stoff stecken, seien an dieser Stelle ein paar kurze Erläuterungen eingeschoben: Carl Buchheister (1890-1964) hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg als freier Kunstmaler in Hannover niedergelassen und war mit seinen abstrakten Arbeiten unter dem Einfluss von Wassily Kandinsky und Kurt Schwitters Ende der 1920er Jahre schnell in die erste Reihe der deutschen Avantgarde vorgerückt. Von den Nazis als „entartet“ verunglimpft, zog er sich in die innere Emigration zurück und knüpfte erst in der Nachkriegszeit wieder an seine abstrakte Phase an. Vielleicht ist deshalb sein Name nicht mehr ganz so geläufig wie der seiner damaligen Avantgarde-Mitstreiter: „Das Bild war 1933 in der zweiten Ausgabe der Pariser Zeitschrift ‚abstraction-création’ abgebildet, neben Werken von Kandinsky oder Calder, das muss man sich mal vorstellen.“ Sehen lassen kann sich auch die Provenienz des Bildes – viele Jahre gehörte es zur renommierten Sammlung Langen im rheinländischen Meerbusch. Beste Aussichten also für eine erfolgreiche Vermittlung auf der Messe.

„Lithografie Nr II“ (1925) des Bauhaus-Meisters Wassily Kandinsky

Die seltene „Lithografie Nr II“ (1925) des Bauhaus-Meisters Wassily Kandinsky bringt Thomas Derda mit nach Köln. Foto: © Thomas Derda.

Zwei Herzen in einer Brust

Aber auch sonst hat Thomas Derda, der seit 2015 seinen Kunsthandel in der Berliner Fasanenstraße betreibt, einige Pretiosen im Angebot. Sein großes Spezialgebiet ist das Bauhaus, nach Köln begleiten ihn gleich fünf Meister der legendären Kunstschule in Weimar und Dessau: Acht Arbeiten von Wassily Kandinsky (u.a. aus dem Mappenwerk „Kleine Welten“ von 1922) sowie weitere Arbeiten von Lothar Schreyer, László Moholy-Nagy, Georg Muche und Paul Klee. Dazu gesellen sich u.a. eine Skulptur von Hans Uhlmann, der als Pionier der Metallplastik in Deutschland gilt, und eine fein ausbalancierte Lithografie („Der Reiter“, 1918) von Bart van der Leck, der neben Mondrian einer der Mitbegründer der wirkmächtigen De Stijl-Bewegung in den Niederlanden war.

Thomas Derda gehört zu den Kunsthändlern, in deren Brust mindestens zwei Herzen gleichzeitig schlagen. Denn genauso viel Freude wie ein guter Deal, bereiten ihm seine intensiven Recherchen, seine Arbeit als Kunsthistoriker und Forscher. In den vergangenen Jahren hat er etwa viel dazu beigetragen, das Werk des rheinischen Künstlers und Grafikers Gerd Arntz (1900-1988) wiederzuentdecken. Arntz gehörte in den 1920er Jahren zu den „Kölner Progressiven“, einer politisch links verorteten Künstlergruppe, und gilt als einer der Erfinder des Piktogramms. (Aus dieser Grundform moderner visueller Kommunikation gingen u.a. die heute so beliebten Emojis hervor.) Derda widmete Gerd Arntz vor zwei Jahren eine wunderbare Kabinettausstellung und betreut inzwischen seinen Estate.

„Abstrakte Komposition rot/ grün“ von Carry van Biema

Das Bild „Abstrakte Komposition rot/ grün“ schuf Carry van Biema um 1930. Foto: © Thomas Derda

Die Wiederentdeckung der Carry van Biema

Ähnliche Verdienste erwarb er sich um das künstlerische Erbe von Lucia Moholy (1894-1989), der ersten Frau des Bauhaus-Meisters. Lange stand sie im Schatten ihres berühmten Mannes, dem sie als Fotografin zur Seite stand. Dass ihre künstlerisch komponierten, auf das Wesentliche konzentrierten Fotos der Architektur und Unterrichtsresultate einen wesentlichen Anteil an der Etablierung der Bauhaus-Ästhetik hatten, darauf hat Derda vehement aufmerksam gemacht. Mit Erfolg: Aktuell widmet sich eine große Ausstellung in der Kunsthalle Prag dem Werk von Lucia Moholy, die dann im nächsten Jahr in Winterthur zu sehen sein wird.

Vielleicht gelingt ihm ja das Gleiche mit einer Künstlerin, die er ebenfalls mit nach Köln bringt. Carry van Biema (1881-1942) war eine jüdische Hannoveraner Künstlerin mit holländischen Wurzeln. Sie studierte an der Kunstakademie Stuttgart bei Adolf Hölzel, dessen Farbenlehre nachhaltigen Einfluss auf sie hatte. Thomas Derda zeigt eine „Abstrakte Komposition rot/ grün“ von ihr, die um 1930 entstanden ist. 1933 hatte Carry van Biema ihre erste Einzelschau in Barcelona, neun Jahre später wurde sie nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Jüngst hat das Sprengel-Museum in Hannover ein Bild von ihr erworben, das nun dort in der Ständigen Sammlung zu sehen ist.

Seinen Auftritt in Köln sieht Thomas Derda als „eigenständige, kuratierte Ausstellung“. Und hofft, dass die Arbeiten weniger bekannter Künstler von den „Leuchttürmen“ Buchheister, Kandinsky und van der Leck kräftig angestrahlt werden.

Autor/in: Sandra Prechtel