Köln 07.–10.11.2024 #artcologne2024

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Runde Geburtstage - Teil 3

Der Zufall will es, dass in diesem Jahr auf der ART COLOGNE viele wichtige Galerien Jubiläen feiern. Dazu gehört auch die Galerie EIGEN + ART, die einzige Galerie aus der ehemaligen DDR, die den Sprung auf das internationale Parkett geschafft hat.

Neo Rauch, Heimwärts, 2022, Fünffarbige Kreide- und Tuschelithografie auf Bütten. Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin and David Zwirner. Foto: Uwe Walter, Berlin

Wahrscheinlich keine andere Galerie, die in diesem Jahr einen runden Geburtstag gefeiert hat, kann von sich behaupten in einem anderen, noch dazu untergegangenen Staat gegründet worden zu sein. Bei der Galerie EIGEN + ART ist das aber so, so wie bei ihr überhaupt einiges eigenartig ist.

Ihr genaues Gründungsdatum ist überliefert, es war der 10. April 1983 am Körnerplatz 8 in Leipzig. An diesem Tag veranstaltete Gerd Harry Lybke, Spitzname Judy, in seinem Wohnzimmer seine erste Ausstellung. Der gelernte Maschinenmonteur hatte in der DDR das Angebot ausgeschlagen, fünf Jahre in der Sowjetunion Atomkraftwerkstechnik zu studieren, stattdessen schlug er sich als Aktmodell im Umfeld der Leipziger Kunsthochschule durch. Aus den hier geknüpften Kontakten entstand die Idee zur privaten Galeriegründung, um frei von staatlicher Bevormundung, „Party zu machen, hübsche Frauen kennenzulernen und etwas zu bewegen.“

Ausstellungseröffnung der Galerie EIGEN + ART

Ausstellungseröffnung der Galerie 1983 in den privaten Räumen von Judy Lybke. Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin

Lybke soll manchmal die Tür splitterfasernackt geöffnet haben

In den Anfangsjahren wurde die Galerie, die bald schon in größere Räume mit angeschlossener Werkstatt zog, von der Stasi misstrauisch beäugt. Sie war ein illegaler Treffpunkt, vor allem bekannt für ihre Happenings und Performances. Aber schon damals traten hier Künstler wie Carsten Nicolai, Neo Rauch oder Olaf Nicolai auf, die später berühmt werden sollten und noch heute zum Programm gehören. Lybke soll manchmal die Tür splitterfasernackt geöffnet haben, um den staatlichen Aufpassern zu beweisen, dass es sich wirklich um rein private Veranstaltungen handelte.

Der Galerist war damals jung, das Geld brauchte er nicht. Das änderte sich schlagartig mit dem Mauerfall. Lybke erkannte schnell die neuen Spielregeln und nutzte die Gunst der Stunde. Schon 1990 war er das erste Mal auf der ART COLOGNE vertreten, wie im Rausch zog es ihn in die Welt, wo er temporäre Galerien in Tokio, Paris, New York und London eröffnete. Auf der DOCUMENTA X 1996 in Kassel war die Galerie EIGEN + ART dann bereits mit fünf ihrer Künstler vertreten

Inzwischen hatte die Galerie ihren Hauptsitz nach Berlin-Mitte verlagert.

Von den Ausstellungsräumen in der Auguststrasse begann dann der Siegeszug der „Neuen Leipziger Schule“, einem geschickten Marketing-Label für figurative Malerei, die ihren Ursprung an der Leipziger Kunsthochschule hat. Ihr Superstar wurde Neo Rauch, dessen Werke ab den 2000er Jahren in internationalen Ausstellungen in London und New York gefeiert wurden und sich heute in den renommiertesten und besten Sammlungen der Welt befinden. Neben Rauch etablierte die Galerie aber auch Künstler wie Tim Eitel, Ricarda Roggan, David Schnell oder Matthias Weischer auf dem internationalen Kunstmarkt.

EIGEN + ART Lab für jüngere Kunstpositionen

Heute gehört Judy Lybke zu den erfolgreichsten Galeristen Deutschlands, seine Galerie EIGEN + ART ist die einzige aus der ehemaligen DDR, die international agiert. Neben ihrem Stammdomizil unterhält sie auch eine Dependance in der Leipziger Baumwollspinnerei sowie das EIGEN + ART Lab für jüngere Kunstpositionen. 2012 rief sie gemeinsam mit Neo Rauch und der Stadt Aschersleben die Grafikstiftung Neo Rauch ins Leben, deren Ziel es ist, das seit 1988 kontinuierlich entstandene grafische Werk des Künstlers zu bewahren und zu pflegen. Darüber hinaus betreut die Galerie auch den Nachlass des konkreten Künstlers Karl-Heinz Adler (1927–2018) aus Dresden, für den sie im Alter von fast 90 Jahren endlich die verdiente Anerkennung seines Werkes erfuhr.

Werk von Karl-Heinz Adler

Karl-Heinz Adler, Transparente Schichtung von roten Kreisflächen, 1982. Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin. Photo: Uwe Walter, Berlin

In der Pandemiezeit etablierte die Galerie zusätzliche einen digitalen Raum, die Plattform EIGEN + ART Plus. Für Judy Lybke war das „unsere Antwort auf die neue digitale Präsenz, auch während der Corona-Zeit. Wir wollten aber keine 3D-Räume bauen, keine Online-Galerie machen. Stattdessen zeigen wir in Videos Interviews und Making-Offs. Das passt viel besser zu uns“.

Auf der diesjährigen ART COLOGNE ist die Galerie EIGEN + ART u.a. mit Werken von Karl-Heinz Adler, Birgit Brenner, Uwe Kowski, Neo Rauch und David Schnell vertreten (Halle 11.2, A100). In der Reihe NEW POSITIONS wird die junge südafrikanische Künstlerin Natalie Paneng vorgestellt.