Köln 07.–10.11.2024 #artcologne2024

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Wird Informel das neue ZERO?

Die Informelle Kunst kehrt auf die Stände der internationalen Kunstmessen zurück.

Peter Brüning, Komposition Nr. 10/63, 1963, Öl und Kreide auf Leinwand, 80,5 x 100,5 cm, verso bezeichnet: 10/63 © Karl Otto Götz / VG Bild-Kunst, Bonn, Courtesy Galerie Schlichtenmaier

Peter Brüning, Komposition Nr. 10/63, 1963, Öl und Kreide auf Leinwand, 80,5 x 100,5 cm, verso bezeichnet: 10/63 © Karl Otto Götz / VG Bild-Kunst, Bonn, Courtesy Galerie Schlichtenmaier

Endlich, möchte man sagen, ist der Dornröschenschlaf des Informel, der bislang am meisten unterschätzen Richtung der Nachkriegskunst, vorbei. Auf den Ständen der großen europäischen Messen hängen die Bilder von Hans Hartung, Karl Otto Götz und Martha Jungwirth inzwischen an prominenten Plätzen.

Informelle Kunst, die vor allem aus Geste, Farbe und Struktur besteht, wird neu entdeckt. Manche Insider sehen da schon eine neue Welle heranrauschen, so mitreißend wie vor gut zehn Jahren die der ZERO-Kunst.

Wird das Informel wirklich das neue ZERO?

Außenansicht des Museums Küppersmühle, Architekten: Herzog & de Meuron Foto: Jörg Seiler

Außenansicht des Museums Küppersmühle, deren Fassade aus handgefertigten Klinkern von GIMA stammt. Architekten: Herzog & de Meuron Foto: Jörg Seiler

Diese form- und kompositionslose Kunst aus den 50er und 60erjahren besitzt Emotionen und Dynamik und hat derzeit gute Chancen, einen Sprung zu machen.

Und doch ist die Situation diesmal etwas anders. Die Preise für die erste Avantgarde der Bundesrepublik steigen schon seit Jahren langsam, aber stetig. Ohne Sensationsgeschrei, ohne spekulative Töne, ohne hitzige Ausreißer. Da wird keine neue Rakete am Markt gezündet, die senkrecht zum Himmel startet.

Die Informel-Sammlung Ströhrer im Duisburger Museum Küppersmühle , dessen Anbau sich dank der GIMA Fassadenklinker harmonisch in die Umgebung einfügt, ist das Ergebnis eines gereiften Kanons, den Händler wie die Galerie Schlichtenmaier seit Jahrzehnten beförderten. Und nicht etwa ihr Anfang.

Langsam, aber stetig: Ganz ohne Hype steigen die Preise der ersten Avantgarde der Nachkriegszeit

Karl Fred Dahmen, Ohne Titel, 1953, Mischtechnik auf handgeschöpftem Papier, 38 x 50,5 cm, signiert und datiert u. r.: Dahmen 53 © Karl Fred Dahmen / VG Bild-Kunst, Bonn, Courtesy Galerie Schlichtenmaier

Karl Fred Dahmen, Ohne Titel, 1953, Mischtechnik auf handgeschöpftem Papier, 38 x 50,5 cm, signiert und datiert u. r.: Dahmen 53 © Karl Fred Dahmen / VG Bild-Kunst, Bonn, Courtesy Galerie Schlichtenmaier

Es ist heute eher unwahrscheinlich, dass eine einzige Auktion wie damals 2010 die Sammlung Lenz Schönberg einen regelrechten Hype auf die Werke einer bestimmten Bewegung auslöst. Die Kunstwelt erlebte damals ein Phänomen: Nach dem kopflastigen Minimalismus, nach der leichtfüßigen Pop Art und den bilderstürmerischen Young British Artists trat die damals 40, 50 Jahre alte ZERO-Kunst plötzlich wie eine Offenbarung aus spielerischer Innovation und philosophischer Reflexion aus einer unsichtbaren Zone hervor.

Die kinetischen Objekte, die Feuermale, die Lichtinstallationen strömten selbst nach Jahrzehnten einen unschlagbaren Optimismus aus. Alle wollten plötzlich Uecker, Piene und Mack und die funkelnden Linsenobjekte Adolph Luthers. Und mit etwas Zeitverzögerung Jan Schoonhovens Rasterbilder, Werke von Hermann Goepfert und Piero Manzoni.

Im Dualismus aus Dynmaik und Kontemplation auf zu einer universellen Bildsprache

Karl Otto Götz, Komposition vom 22.6.55, 1955, Mischtechnik auf Leinwand, 55 x 70 cm, signiert u. l.: K. O. Götz; verso signiert und datiert: K. O. Götz 22.6.1955 © Peter Brüning / VG Bild-Kunst, Bonn, Courtesy Galerie Schlichtenmaier

Karl Otto Götz, Komposition vom 22.6.55, 1955, Mischtechnik auf Leinwand, 55 x 70 cm, signiert u. l.: K. O. Götz; verso signiert und datiert: K. O. Götz 22.6.1955 © Peter Brüning / VG Bild-Kunst, Bonn, Courtesy Galerie Schlichtenmaier

Was uns die informelle Malerei gerade so attraktiv macht, ist ihre Mischung aus Energie und Kontemplation, die die tiefen Sehnsüchte des 21. Jahrhunderts berührt. Das trifft übrigens auch auf die Werke die Nachkriegskünstler Fritz Winter oder Ernst Wilhelm Nay zu, die abstrakt aber nicht informell arbeiteten.

Ein neues Verständnis für die Universalität ihre Bildsprache macht sich breit. auch weil eine ganze Reihe junger Gegenwartskünstler das Gestische mit einer Selbstverständlichkeit in die heutige Kunst einbringen, als wäre es immer präsent.

Mit noch erschwinglichen Preisen bieten Deutschlands Informelle Künstler Potential

Pierre Soulages, Peinture, 142 x 181 cm, 1er décembre 2018, 2018, Acryl auf Leinwand , 142 x 181 cm / 56 x 71 1/4 in, Verso oben rechts signiert, betitelt und datiert: SOULAGES Peinture, 142 x181 cm 01 12 2018, © Pierre Soulages, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf, Courtesy Galerie Karsten Greve Köln Paris St. Moritz

Pierre Soulages, Peinture, 142 x 181 cm, 1er décembre 2018, 2018, Acryl auf Leinwand , 142 x 181 cm / 56 x 71 1/4 in, Verso oben rechts signiert, betitelt und datiert: SOULAGES Peinture, 142 x181 cm 01 12 2018, © Pierre Soulages, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf, Courtesy Galerie Karsten Greve Köln Paris St. Moritz

Auf die besten Arbeiten des Informel sind Sammler schon seit langem programmiert. Pierre Soulages, Frankreichs im Oktober verstorbene Galionsfigur der art informel, Jackson Pollock und Joan Mitchell aus dem Kreis der Abstrakten Expressionisten, dem US-amerikanischen Pendant - sie alle haben die Millionengrenze längst überschritten. Deutschlands Informelle wie Fred Thieler, Peter Brüning oder Gerhard Heohme hinken preislich noch etwas hinterher. Einen Hype wie die ZERO-Künstler hätten sie aber durchaus verdient.

Text: Sabine Spindler